Martin Klingen: „Die Zeitarbeit kann Auslandsrekrutierung“

Zeitarbeit ist kompetent in der Auslandsrekrutierung Interview mit Martin Klingen

Dem deutschen Arbeitsmarkt fehlt es an Personal. Eine schnelle Lösung aus diesem Dilemma könnte die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte mit Hilfe der Zeitarbeit sein.

Die Personaldienstleistung ist für Martin Klingen, Mitglied der Geschäftsführung der GI Group Deutschland GmbH, ein Teil der Lösung im aktuellen Arbeits- und Fachkräftemangel. Im Interview erläutert er seine Argumente.

Dem deutschen Arbeitsmarkt fehlt es an Personal. Welche Lösungsansätze sehen Sie?

Die Personaldienstleistung ist in der Lage, die großen Herausforderungen des Arbeitsmarktes zu stemmen, in dem  Arbeits- und Fachkräfte auch aus Nicht-EU-Staaten über Personaldienstleister rekrutiert werden. Das ist eine unserer Kernkompetenzen. Die Bundesregierung hat dieses Angebot bisher nicht angenommen.
Bislang ist es uns lediglich gestattet, Arbeitskräfte aus EU-Ländern als Zeitarbeiter einzustellen. Auch im jüngsten Entwurf des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes bleibt diese Regelung bestehen. Dabei sind wir Experten in der Personalbeschaffung und verfügen über langjährige Erfahrung in der Vermittlung von Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausland. Wir haben bewiesen, dass wir mit interkulturellen Herausforderungen umgehen können. Zudem kennen wir die Anforderungen der verschiedenen Branchen und Berufsprofile sehr genau.

Welche Bedenken gibt es bezüglich der Beschäftigung von Nicht-EU-Arbeitskräften durch Personaldienstleister?

Die Bedenken gehen dahin, dass eine Beschäftigung bei einem Personaldienstleister zu keiner langfristigen Perspektive führt. Das ist ein Irrtum, hier ein Beispiel: Ein Elektroinstallateur aus Kolumbien zieht für eine neue Arbeitsstelle nach Deutschland, dort kommt er nicht zurecht, das Jobprofil entspricht nicht seinen Erwartungen. Er möchte kündigen. Doch sobald er seine Festanstellung verliert, besteht für ihn das Risiko, dass er das Land verlassen muss. In diesem Fall wäre der bürokratische Aufwand sowohl für ihn als auch für den Arbeitgeber umsonst gewesen.

Martin Klingen Gi Group Deutschland

Martin Klingen
Mitglied der Geschäftsleitung
GI Group Deutschland GmbH

Wäre er jedoch bei einem Personaldienstleister angestellt, besteht die Möglichkeit, ihm eine alternative Stelle bei einem anderen Kundenunternehmen zu vermitteln. Auf diese Weise bleibt er weiterhin als Fachkraft dem deutschen Arbeitsmarkt erhalten. Leider sieht die Bundesregierung diesen Lösungsansatz bisher noch nicht.

Wie sehen Sie die Akzeptanz von nicht deutschsprachigen Fachkräften bei Kundenunternehmen? 

Es gibt Großunternehmen, die schon lange die Zeichen der Zeit erkannt haben und die Mehrsprachigkeit vorbildlich umsetzen. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sieht es dagegen anders aus. Hier ist es wichtig, dass wir die Akzeptanz von nicht deutschsprachigen Fachkräften erhöhen und Ansprechpartner einsetzen, die die Muttersprache sprechen.

Was sind die Herausforderungen in der Zeitarbeit, denen Sie aktuell besondere Bedeutung beimessen?

Eine bleibende Herausforderung ist die Höchstüberlassungsdauer. Sie ist in vielen Betrieben schwierig. Es wäre sinnvoll, die Höchstüberlassungsdauer abzuschaffen oder sie signifikant zu ändern. Im Gegenzug könnte die Equal-Pay-Regelung von Arbeitstag 1 an eingeführt oder zumindest angenähert werden – zumal wir heute schon in den meisten Einsätzen sehr vergleichbare Lohnniveaus zwischen Zeitarbeitnehmern und Stammbeschäftigten haben.

Wir brauchen außerdem eine simple Lösung, um Equal Pay zu berechnen. Im Gegenzug müsste die Flexibilität erhöht und bürokratische Hürden abgebaut werden. Der Mehrwert „Flexicurity“, Flexibilität und Sicherheit für die Arbeitsplätze der Zeitarbeitnehmer. Eine Neuregelung würde der Branche guttun und sie würde als positiver Lösungsanbieter wahrgenommen werden.

Mit welchen Impulsen könnte dies gelingen?

Ich wünsche mir Qualitätsstandards für Personaldienstleister. Leitlinien für Zeitarbeit in der Pflege, internationale Mobilität und Ausbildung von Personaldienstleistungskaufleuten gibt es bereits, doch ich empfehle noch weitere Schritte zu gehen. Im Bereich der Mitarbeiterunterkünfte könnte das zum Beispiel eine Lösung wie in Holland sein. Dort genehmigen Kontrollorganisationen die Unterkünfte für Zeitarbeitnehmer. Es ist wichtig, dass Personaldienstleister Standards setzen, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen und damit sicherstellen, dass der Schutz der Arbeitnehmer gewährleistet ist. Eine solche Selbstverpflichtung stärkt das Vertrauen in unsere Branche.

Welche weiteren Zukunftslösungen sehen Sie für die Zeitarbeitsbranche?

Wir sollten viel mehr als zuvor in die Weiterentwicklung unserer Zeitarbeitnehmer investieren und künftig in der Lage sein, Menschen in Arbeit zu bringen, die vom sog. Zweiten Arbeitsmarkt kommen. Das wir dies können, haben wir hinlänglich bewiesen: Keine andere Branche hat beispielsweise so viele Geflüchtete in Arbeit gebracht wie die Zeitarbeit.

Qualifizierungsmaßnahmen für Menschen am Zweiten Arbeitsmarkt haben bisher vor allem karitative Unternehmen oder Bildungsbetriebe übernommen. Welche Vorteile hätte die Zusammenarbeit mit einem Personaldienstleister?

Wir können als Vermittler zwischen Beschäftigungsmaßnahmen und festen Arbeitsplätzen fungieren. Wir haben ein breites Angebotsspektrum an Zielarbeitsplätzen und bieten sehr gute Arbeitsbedingungen, die den Wechsel in den ersten Arbeitsmarkt leichter machen.

Welchen Mehrwert könnte die Zeitarbeit damit dem Arbeitsmarkt bieten?

Zeitarbeit ermöglicht es Arbeitnehmern, flexiblere Arbeitszeiten zu haben. Dies kann von Vorteil sein, wenn es um die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen geht. Im Vergleich zur Stammbelegschaft sind in der Zeitarbeit oft flexiblere Arbeitszeitmodelle möglich.

Eine Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass 75 Prozent der in der Pflege beschäftigten Menschen angeben, dass sie bei einem Branchenverbot durch die Zeitarbeit nicht wieder zurückkehren könnten. Dies hängt zum Teil mit der Vergütung zusammen, aber auch mit den flexiblen Arbeitszeiten, die in der Zeitarbeit möglich sind, im Gegensatz zur Stammbelegschaft.

Die Zeitarbeit spricht Menschen an, die einen vielfältigen Lebenslauf haben, die sich beruflich neu ausrichten möchten, die nach einer Auszeit wieder in den Beruf einsteigen wollen oder die aufgrund familiärer Verpflichtungen eine flexible Arbeitszeitgestaltung benötigen. Die Zeitarbeit bietet ihnen die Chance, Arbeitserfahrung zu sammeln, neue Fähigkeiten zu entwickeln und so ihre Beschäftigungschancen zu verbessern.