Warum die Tarifautonomie für den Arbeitsmarkt wichtig ist
Der deutsche Arbeitsmarkt braucht Flexibilität und Zuwanderung von Arbeitskräften. Das kann die Zeitarbeit besonders gut. Im Vergleich zum Mittelstand und der Wirtschaft insgesamt beschäftigt die Branche rund dreimal mehr Menschen mit ausländischem Pass. Das jüngste EuGH-Urteil bestätigt die Tarifautomonie und sorgt für Rechtssicherheit. Jetzt muss nur noch das Verbot für das Anwerben und Einstellen von Fachkräften aus Drittländern aufgehoben werden. Ein Kommentar von Marktexperte Hartmut Lüerßen.
Deutschland braucht in den nächsten Jahren hunderttausende Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland, damit der demografische Wandels nicht zu einem deutlichen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts führt. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), müssten bis 2025 rund 18 Millionen Fachkräfte aus dem Ausland kommen. Das berücksichtigt die analysierte Erwartung, dass viele der Fachkräfte nicht dauerhaft in Deutschland bleiben würden.
Das Problem ist politisch erkannt. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll bürokratische Hürden abbauen und Arbeitsmigration erleichtern. Allerdings, und das ist unverständlich: Der Gesetzentwurf für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz lässt die Zeitarbeit außen vor. Damit die Personaldienstleister selber Fachkräfte aus Drittländern anwerben und als Zeitarbeitnehmer beschäftigen könnten, müsste eine Passage des Aufenthaltsgesetzes geändert werden, das genau dies verbietet.
Hartmut Lüerßen
Marktexperte
Lueerssen GmbH
Das Aufenthaltsgesetz trat Anfang 2005 in Kraft. Die Zeitarbeitsbranche galt zu dem Zeitpunkt noch als Branche mit schlechten Arbeitsbedingungen. Das hat sich grundlegend geändert. Beispiel Pflegebranche: Seit Jahren wechseln viele examinierte Kräfte zu Personaldienstleistern, weil die Arbeitsbedingungen dort deutlich besser sind als in vielen Krankenhäusern oder Pflegestationen. Das betrifft sowohl die Mitsprache bei Arbeitszeiten als auch die Bezahlung.
Jeder Arbeitgeber sollte Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren und einstellen dürfen
Wer ernsthaft bürokratische Hürden für die Fachkräfteeinwanderung abbauen will, sollte die Hürden für die Rekrutierungsprofis nicht übersehen. Klar ist: Für die meisten mittelständischen Unternehmen ist die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland zu komplex. Schon die Anwerbung und Integration von EU-Workern ist eine Herausforderung, die vor allem den Rekrutierungsexperten aus der Zeitarbeit gut gelingt. Die Zahlen, dass prozentual dreimal mehr EU-Worker in der Zeitarbeit arbeiten, zeichnen ein deutliches Bild.
Gerade hat das Bundesarbeitsgericht die Tarifautonomie der Zeitarbeit gestärkt und bestätigt, was selbstverständlich sein sollte: Zeitarbeit ist eine normale Arbeitgeberbranche mit eigenen Tarifverträgen. In der Branche ist die Tarifbindung sogar besonders hoch. Der Arbeitsmarkt braucht Fachkräftezuwanderung und Arbeitsmarktintegration. Die Frage lautet also: Warum sollten die Rekrutierungsprofis nicht auch bei der Anwerbung und Arbeitsmarktintegration von Fachkräften aus Drittländern helfen dürfen?