Andreas Nusko: „Ohne flexible Lösungen wird die Zeitarbeit nicht überleben“
Die Zeitarbeit befindet sich im Wandel: Fachkräftemangel und Digitalisierung stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen, bieten aber auch die Möglichkeit, sich neu zu positionieren. Andreas Nusko spricht über die Notwendigkeit schneller Anpassungen und die zentrale Rolle der Zeitarbeit im modernen Arbeitsmarkt.
Nach 20 Jahren bei Franz & Wach haben Sie zusammen mit Martin Bach PERSUS Personal gegründet. Das ist ein großer Schritt, gerade in der aktuellen Phase. Im Januar zählte die Zeitarbeit 635.200 Beschäftigte, das ist ein Rückgang zum Vorjahr um 8,9 Prozent. Was hat Sie dazu bewegt?
Die Entscheidung, ein neues Unternehmen zu gründen, kam aus dem Wunsch, etwas anders zu machen und nicht auf altbewährte Muster zu setzen. Die Zeitarbeit ist nach wie vor ein „People Business“, bei dem der direkte Umgang mit Menschen im Mittelpunkt steht. Gleichzeitig sehen wir, dass gerade die Digitalisierung neue Möglichkeiten eröffnet, um effizienter und schneller zu agieren. Die Branche ist im Umbruch, und wir wollten eine Kombination aus persönlicher Betreuung und modernster Technik schaffen. Uns war es wichtig, die Chancen der Digitalisierung konsequent zu nutzen, ohne dabei den menschlichen Aspekt der Arbeit aus den Augen zu verlieren.
Welche Chancen birgt eine Neugründung?
Eine Neugründung erlaubt uns, alles von Grund auf neu zu gestalten. Das bedeutet, wir konnten von Beginn an digitale Prozesse einführen, die uns ermöglichen, schneller und effizienter zu arbeiten. Wir haben keine unnötigen Bürokratieschichten oder Altlasten, die uns bremsen. Alle unsere Arbeitsabläufe sind komplett digitalisiert – von der Zeiterfassung bis zur Lohnabrechnung. Dadurch können wir uns auf das Wesentliche konzentrieren: die Vermittlung von Arbeitskräften. Gleichzeitig sparen wir Zeit und Ressourcen, was in der heutigen Zeit, wo Flexibilität und schnelle Reaktionsfähigkeit gefragt sind, ein klarer Vorteil ist.
Wo sehen Sie derzeit den größten Bedarf in der Zeitarbeit?
Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften ist weiterhin hoch, besonders in Bereichen wie der Logistik, im Handwerk und in der Pflege. Der Fachkräftemangel bleibt eine der größten Herausforderungen. Es fehlen oft Bewerber mit den notwendigen Qualifikationen, und das trifft viele Branchen hart. Hier müssen wir nicht nur kreative Lösungen für die Rekrutierung finden, sondern auch den Kunden helfen, sich flexibler aufzustellen, damit sie mit den Arbeitskräften arbeiten können, die verfügbar sind. Besonders wichtig ist es, nicht nur auf kurzfristige Bedürfnisse zu reagieren, sondern auch langfristige Partnerschaften aufzubauen.
Welche Rolle kann die Zeitarbeit heute bei der Integration von Langzeitarbeitslosen und Geflüchteten spielen?
Zeitarbeit bietet eine wertvolle Möglichkeit, Menschen mit Vermittlungshemmnissen, wie Langzeitarbeitslose oder Geflüchtete, schrittweise an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Diese Menschen brauchen oft nicht nur eine Arbeitsstelle, sondern Unterstützung bei der Einarbeitung und Qualifizierung. Hier kann Zeitarbeit gezielt unterstützen. Im Vergleich zu früheren Modellen wie den Personal-Service-Agenturen (PSA) aus den 2000er Jahren, die damals einen ähnlichen Ansatz verfolgten, ist die Zeitarbeit heute wesentlich flexibler und effizienter aufgestellt. Zeitarbeitsfirmen können individueller auf die Bedürfnisse eingehen, da sie heute weniger bürokratisch und schneller agieren können. Der Vorteil liegt darin, dass Arbeitnehmer durch Zeitarbeit Zugang zu verschiedensten Branchen und Tätigkeiten bekommen, was ihnen den Übergang in eine Festanstellung erleichtern kann.
Was sagen Sie zur aktuell diskutierten Vermittlungsprämie für langzeitarbeitslose Menschen? Ist das der richtige Ansatz?
Das Ziel, Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist definitiv richtig, aber das Mittel – eine Prämie von 1.000 Euro – greift zu kurz. Finanzielle Anreize sind nicht der richtige Ansatz, vielmehr sollte die Qualifizierung der betroffenen Menschen im Fokus. Oftmals sind fehlende oder veraltete Qualifikationen der Hauptgrund, warum Langzeitarbeitslose keine Arbeit finden. Hier müsste deutlich stärker in Weiterbildung und Umschulungsmaßnahmen investiert werden, um nachhaltige berufliche Perspektiven zu schaffen. Gerade wir Personaldienstleister haben immer wieder bewiesen, dass wir diese Schulungsleistungen erbringen und eine entscheidende Brücke in den Arbeitsmarkt sein können. Diese Erfahrung zeigt, wie effektiv gezielte Maßnahmen und Schulungen wirken, um Menschen langfristig zu integrieren.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Reduzierung der bürokratischen Hürden für Menschen, die wieder arbeiten möchten, aber auf zusätzliche Unterstützung angewiesen sind. Gerade beim Übergang aus der Arbeitslosigkeit in ein Beschäftigungsverhältnis sollten Hindernisse wie komplizierte Anträge oder der Verlust von Unterstützungsleistungen entschärft werden, damit der Weg zurück in die Arbeit für die Betroffenen nicht unnötig erschwert wird.
Wie kann die Politik die Zeitarbeit unterstützen?
Zwei zentrale Themen, bei denen die Politik die Zeitarbeit deutlich entlasten könnte, sind das Schriftformerfordernis und die Arbeitsmigration aus Drittstaaten. Beide Bereiche stehen seit Jahren auf der politischen Agenda, aber die Fortschritte sind minimal.
Dank des Bürokratieentlastungsgesetzes IV ist im Januar 2025 endlich damit zu rechnen, dass die Schriftformerfordernis abgeschafft wird. Für uns Personaldienstleister ist das ein Meilenstein, auf den wir sehr lange gewartet haben.
Wie sehen Sie die langfristige Zukunft der Zeitarbeit?
Ich denke, Zeitarbeit wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, besonders was die Flexibilität von Unternehmen angeht. Die Anforderungen werden jedoch steigen, und nur diejenigen, die bereit sind, sich kontinuierlich anzupassen und innovative Lösungen anzubieten, werden bestehen. Es wird nicht mehr ausreichen, einfach Arbeitskräfte zu vermitteln – es wird darum gehen, auch in Qualifizierung und Weiterbildung zu investieren, um den langfristigen Erfolg zu sichern. Wenn die Branche bereit ist, diese Herausforderungen anzunehmen, sehe ich eine positive Zukunft.