Zeitarbeit in der EU: Saisonal unterwegs, dauerhaft gefragt

DEKRA Unternehmerbündnis Zeitarbeit

Velichko Delchev (links) und Jochen Hermann von DEKRA Arbeit vor einem medizinischen Institut in Bulgarien – unterwegs für faire Zeitarbeit für EU-Arbeitskräfte.

Zeitarbeit ist für viele Menschen aus Südosteuropa nicht nur ein Job, sondern ein Überlebensmodell. Velichko Delchev pendelt zwischen seiner Heimat in Bulgarien und verschiedenen Einsatzorten in Deutschland. Was als Aushilfsjob als Zeitarbeitnehmer in der Logistik begann, hat sich zu einer verlässlichen Zusammenarbeit entwickelt – mit Perspektive für alle Beteiligten.

Velichko Delchev lebt im südlichen Bulgarien, in der Stadt Kardschali, nicht weit von der griechischen Grenze entfernt. Regelmäßig kommt er nach Deutschland, um als Zeitarbeitnehmer zu arbeiten – zuletzt als Koordinator für über 70 Landsleute im Weihnachtsgeschäft eines großen Logistikunternehmens für DEKRA Arbeit. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler, der fließend Deutsch spricht, kennt den deutschen Zeitarbeitsmarkt, er ist für ihn eine verlässliche Brücke zwischen zwei Welten geworden.

Vor allem, seit er für DEKRA Arbeit tätig ist. Die Zusammenarbeit begann 2022, vermittelt durch das DEKRA-Büro in Sofia. Dort suchten sie kurzfristig Fahrer für das Weihnachtsgeschäft – und empfahlen Velichko Delchev. Schon drei Tage später war er in Darmstadt als Paketbote im Einsatz.

Doch als er nach vier Wochen wieder in Bulgarien war, stellte sich heraus: Die Abrechnung stimmte nicht, es fehlten 1.200 Euro. Besorgt meldete er sich bei Jochen Hermann, seinem Projektleiter, und schilderte das Problem. „Ich dachte, das Geld sehe ich nie wieder“, erinnert sich Velichko Delchev, „zu oft wurden mir schon Versprechen gemacht, die nicht eingehalten wurden.“ Umso überraschender für ihn: DEKRA Arbeit erkannte den Fehler an und überwies den offenen Betrag ohne Diskussion.

Zwischen den Welten: Ein Leben im Pendelrhythmus

Warum aber geht ein studierter Wirtschaftswissenschaftler immer wieder nach Deutschland, um dort als Zusteller oder Koordinator zu arbeiten? Die Antwort ist einfach: Die wirtschaftliche Realität in Bulgarien lässt ihm kaum eine Wahl. Die Lebenshaltungskosten sind hoch – bei Lebensmitteln sind sie teilweise sogar höher als in Deutschland. Gleichzeitig liegt der Durchschnittsverdienst in seiner Region bei nur 600 bis 700 Euro im Monat.

Schätzungen des bulgarischen Arbeitsministeriums zufolge arbeiten rund 800.000 bis 1 Million Bulgaren regelmäßig oder dauerhaft im Ausland – viele davon saisonal oder projektweise, vor allem in Bereichen wie Bau, Landwirtschaft, Pflege und Logistik. Diese strukturelle Arbeitsmigration ist für das Land längst Realität: Rund ein Drittel aller bulgarischen Haushalte erhält regelmäßig Geld von Angehörigen, die im Ausland arbeiten – sogenannte Rücküberweisungen. Diese Zahlungen machen laut Weltbank etwa 3,5 Prozent des bulgarischen Bruttoinlandsprodukts aus.

Auch Velichko Delchev machte sich im darauffolgenden Winter erneut auf den Weg nach Deutschland – diesmal allerdings zunächst nicht für DEKRA Arbeit. Jochen Hermann hatte ihm zwar eine Stelle als Fahrer angeboten, doch Delchev hatte bereits einem anderen Unternehmen zugesagt, einem Subunternehmer aus der Logistikdienstleistung. Dort waren ihm ein hohes Gehalt, eine ordentliche Unterbringung und geregelte Arbeitszeiten zugesichert worden. Doch was ihn erwartete, war das Gegenteil: ein schmutziges Zimmer ohne Bettzeug, nur selten warmes Wasser – und Zehn-Stunden-Schichten ohne Pause.

Nach vier Tagen hatte er genug davon und rief bei Jochen Hermann an:
„Ist die Stelle noch frei? Sie war es – und Hermann holte ihn zurück.
Velichko arbeitete daraufhin in Singen am Bodensee, erneut als Paketzusteller im Weihnachtsgeschäft – unter fairen Bedingungen.

Zeitarbeit in der Logistik: Neue Aufgabe als Koordinator

Ein Jahr später – im Winter 2024/25 – kehrte er wieder zurück nach Deutschland. Diesmal nicht als Zusteller, sondern als Koordinator für über 70 bulgarische Zeitarbeitskräfte. Er half bei der Organisation der Unterkünfte, begleitete Kolleginnen und Kollegen zum Arzt, übersetzte, klärte Fragen – und war rund um die Uhr ansprechbar. „Das hat mir Spaß gemacht“, sagt er. Und Jochen Hermann ergänzt: „Ohne ihn hätten wir das Projekt in dieser Form nicht stemmen können.“

Heute sind Velichko Delchev und Jochen Hermann wieder gemeinsam unterwegs – diesmal nicht in Deutschland, sondern in Bulgarien. Sie fahren durchs Land, besuchen Sprachschulen, sprechen mit Lehrkräften und medizinischen Hochschulen. Ihr Ziel: Partner gewinnen, die Pflegekräften helfen, sich sprachlich auf einen Einsatz in Deutschland vorzubereiten.

Es ist kein großes Projekt, noch nicht – eher eine Erkundung. Aber eine, bei der beide genau wissen, worauf es ankommt. Der Deutsche bringt das Know-how aus der Personalvermittlung mit, die Bulgare die Erfahrung, das Vertrauen und die nötige Nähe zu den Menschen vor Ort.

Die Zusammenarbeit der beiden hat sich über die Jahre entwickelt – pragmatisch, verlässlich, unkompliziert.