Mittelstand vs. Großunternehmen: Was Kundenunternehmen wirklich von Zeitarbeit erwarten

Als Einkäufer weiß Fabio Matern, was Kunden von der Zeitarbeit erwarten.
Fabio Matern kennt die Herausforderungen der Zeitarbeit aus erster Hand – vom internationalen Großkonzern bis zum Mittelständler. Bei der Rethmann-Gruppe koordinierte er deutschlandweite und internationale Rahmenverträge mit Personaldienstleistern, heute ist er strategischer Einkäufer bei Hesse GmbH & Co. KG. Im Interview mit Unternehmerbündnis Zeitarbeit spricht er darüber, worauf Unternehmen bei der Auswahl von Dienstleistern achten sollten, wie sich die Branche aus Kundensicht entwickeln muss und warum Innovation und Flexibilität für die Zukunft der Zeitarbeit entscheidend sind.
Sie haben während Ihrer Zeit bei der Rethmann-Gruppe intensiv mit Zeitarbeit zu tun gehabt. Wie sahen die Herausforderungen in einem internationalen Konzern aus?
In einem Unternehmen wie der Rethmann-Gruppe mit mehreren Tausend Mitarbeitern und Standorten in ganz Deutschland ist die Abdeckungsrate ein entscheidender Faktor. Wir mussten sicherstellen, dass unsere Personaldienstleister nicht nur regional, sondern auch deutschlandweit und in manchen Fällen international agieren können. Der Bedarf war sehr groß, und wir arbeiteten mit zentralen Rahmenverträgen, um standardisierte Bedingungen für alle Standorte zu schaffen. Das war besonders wichtig in Hochphasen wie dem Weihnachtsgeschäft, wo schnell viele Mitarbeiter benötigt wurden.
Welche Rolle spielt Internationalisierung bei der Wahl eines Dienstleisters?
Internationalisierung war während meiner Tätigkeit bei der Rethmann-Gruppe ein zentrales Thema. Es reichte nicht, dass ein Dienstleister nur in Deutschland aktiv war. Viele unserer Gesellschaften in anderen Ländern benötigten ebenfalls Unterstützung. Wir suchten daher nach Partnern, die in mehreren Märkten agieren konnten. Gleichzeitig hatten wir je nach Standort spezifische Anforderungen, was oft auch die Zusammenarbeit mit lokalen Dienstleistern erforderte.
Wie unterscheiden sich die Anforderungen mittelständischer Unternehmen von denen eines Konzerns?
In mittelständischen Unternehmen wie Hesse Lignal steht die Nähe zum Dienstleister im Vordergrund. Hier spielt die Versorgungssicherheit eine größere Rolle. Die Dienstleister sollten möglichst lokal sein, so dass die Mitarbeiter aus der Nähe kommen. Häufig wird Zeitarbeit in diesen Fällen auch als Rekrutierungsinstrument genutzt, um potenzielle Festangestellte zu finden. In großen Konzernen wie der Rethmann-Gruppe hingegen geht es stärker um Effizienz, Skalierbarkeit und die Möglichkeit, innovative Lösungen anzubieten.
Was meinen Sie mit innovativen Lösungen?
Innovation bedeutet für mich, dass Dienstleister proaktiv auf uns zukommen und neue Konzepte präsentieren, sei es im Bereich der Digitalisierung oder Prozessoptimierung. Ein Beispiel sind Softwarelösungen, die administrative Abläufe wie Vertragserstellung oder Zeitabrechnung automatisieren. Solche Ansätze helfen uns, effizienter zu arbeiten und Ressourcen besser einzusetzen.
Ein weiteres Thema ist die Integration von ausländischen Fachkräften. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht?
Die Integration ausländischer Fachkräfte war für uns eine sinnvolle Ergänzung, insbesondere in Hochphasen. Wir haben dabei auf Konzepte wie bilinguale Vorarbeiter gesetzt, die sowohl die Landessprache der Mitarbeiter als auch Deutsch beherrschen. Diese Vorarbeiter fungierten als Bindeglieder, um sprachliche Hürden zu überwinden und die Teams besser zu integrieren. Außerdem haben wir Schulungs- und Sicherheitsunterlagen in mehreren Sprachen angeboten, was in einem Konzern einfacher umzusetzen ist als in einem mittelständischen Unternehmen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Zeitarbeit?
Zeitarbeit wird auch in zehn Jahren weiterhin eine wichtige Rolle spielen, da sie für die Zukunft schlichtweg unumgänglich ist. Sowohl für die kurzfristige Abdeckung von Bedarf in Hochphasen als auch für langfristige Einsätze bleibt sie ein unverzichtbares Instrument. Gerade in Branchen mit stark schwankenden Arbeitslasten steigt die Nachfrage nach flexiblen Lösungen. Viele Unternehmen nutzen Zeitarbeit gezielt, um saisonale Schwankungen auszugleichen, während manche sogar ihr Stammpersonal abbauen, weil es immer schwieriger wird, Mitarbeiter auf dem lokalen Arbeitsmarkt zu finden.
Entscheidend wird sein, dass sich Zeitarbeit an die sich ändernden Rahmenbedingungen anpasst und attraktiv bleibt – sowohl für Arbeitnehmer als auch für Unternehmen. Dabei kommt es stark darauf an, über welche Unternehmensgröße wir sprechen: Sind wir beim kleinen Handwerker, beim mittelständischen Betrieb mit 1.300 Mitarbeitern oder bei einem Konzern, der jährlich über 100 Millionen Euro für Zeitarbeit in Deutschland ausgibt? Jede Unternehmensgröße und Branche stellt unterschiedliche Anforderungen an die Zeitarbeit, was ihre Zukunftsfähigkeit noch stärker unterstreicht.
Was sollte sich aus Ihrer Sicht politisch ändern, um die Zeitarbeit zukunftsfähig zu gestalten?
Es gibt einige Themen, bei denen wir uns mehr Unterstützung wünschen würden, insbesondere in Bezug auf die Integration von Fachkräften aus Drittstaaten. Der Arbeitskräftemangel in Deutschland wird immer gravierender, und die Zulassung von Zeitarbeitern aus diesen Ländern könnte eine sinnvolle Lösung sein. Außerdem sollte die Politik den administrativen Aufwand weiter reduzieren, zum Beispiel durch zusätzliche Digitalisierung und Bürokratieabbau.
Abschließend: Was würden Sie Zeitarbeitsunternehmen raten, um den Anforderungen der Kundenunternehmen gerecht zu werden?
Matern: Flexibilität und Zuverlässigkeit sind entscheidend. Dienstleister müssen nicht nur schnell und präzise auf Anforderungen reagieren, sondern auch aktiv mit uns zusammenarbeiten, um langfristige Lösungen zu entwickeln. Transparenz und ehrliche Kommunikation sind dabei unerlässlich. Nur so können beide Seiten erfolgreich zusammenarbeiten und die Herausforderungen der Zukunft meistern.