Thomas Schenk: „Zeitarbeit ist mehr als eine Überbrückung“
Die Zeitarbeitsbranche befindet sich im Spannungsfeld zwischen Fachkräftemangel, regulatorischen Herausforderungen und der Aufgabe, die vielfältigen Chancen sichtbarer zu machen. Thomas Schenk, CEO der SYNERGIE Gruppe Deutschland, erklärt, welche gesellschaftliche Bedeutung die Zeitarbeit hat, wo die größten Herausforderungen liegen und welche Lösungen er für die Zukunft sieht.
Sie sind neuer CEO von SYNERGIE Gruppe Deutschland. Sie haben bereits viele Jahre Erfahrung in der Zeitarbeitsbranche. Was reizt Sie an dieser Tätigkeit, und warum sind Sie der Branche treu geblieben?
Ich finde, dass die Personaldienstleistung eine der schönsten Branchen überhaupt ist, weil sie so einen direkten Einfluss auf das Leben von Menschen hat. Unsere Arbeit ermöglicht es, Menschen in Beschäftigung zu bringen und Unternehmen die passenden Talente zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung von Arbeitskräften – wir gestalten Karrieren, bieten neue Perspektiven und helfen Menschen, ihre Lebensumstände zu verbessern und sich weiterzuentwickeln.
Das klingt beinahe idealistisch. Doch das Bild der Zeitarbeit in der Öffentlichkeit ist uneinheitlich. Wie sehen Sie das?
Das stimmt, die öffentliche Wahrnehmung der Zeitarbeit ist nicht immer so positiv, wie wir es uns wünschen. Oft wird unsere Arbeit auf kurzfristige Einsätze oder niedrige Löhne reduziert, dabei steckt viel mehr dahinter. Die Menschen, die unsere Dienstleistungen nutzen, erleben das oft ganz anders: Für viele ist Zeitarbeit ein Türöffner – sei es, um nach einer schwierigen Phase wieder Fuß im Berufsleben zu fassen, erste Berufserfahrungen in einem neuen Land zu sammeln oder eine neue Karriere in einer bestimmten Branche zu starten. Und wir geben den Menschen, so profan wie sich das manchmal anhört, eine neue Chance, ihr Leben zu gestalten. Dennoch arbeiten wir ständig daran, unser Bild in der Öffentlichkeit zu verbessern – durch Transparenz, faire Bedingungen und individuelle Betreuung.
Der Rückgang der Zeitarbeitnehmerzahlen zeigt, dass die Branche aktuell sehr unter Druck steht. Wie reagiert SYNERGIE darauf?
Wir erleben natürlich auch, dass Kundenunternehmen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten vorsichtiger agieren. Gleichzeitig bleibt der Bedarf an Fachkräften ungebrochen, insbesondere in Bereichen wie Handwerk, Produktion und Handel. Unsere Strategie ist es, flexibler zu werden und verstärkt auf internationale Rekrutierung zu setzen. Allerdings sehen wir, dass es zunehmend schwieriger wird, qualifizierte Mitarbeiter aus dem Ausland nach Deutschland zu holen, da hier gesetzliche Hürden bestehen.
Was erwarten Sie in diesem Zusammenhang von der Politik?
Es braucht dringend Anpassungen bei der Arbeitnehmerüberlassung, der Höchstüberlassungsdauer und beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Wir wünschen uns weniger Bürokratie und klarere Regelungen, um sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmern Planungssicherheit zu geben. Gleichzeitig sollte die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit stärker in den Fokus rücken. Arbeit bedeutet weit mehr als finanzielle Sicherheit: Sie stärkt das Selbstwertgefühl, gibt dem Alltag Struktur und ermöglicht es, aktiv Teil der Gesellschaft zu sein. Diese Dimension der Arbeit, die den Menschen das Gefühl vermittelt, gebraucht und geschätzt zu werden, wird in der politischen Debatte oft vernachlässigt. Es geht darum, den Menschen Perspektiven und eine Grundlage für ihre persönliche und berufliche Entfaltung zu geben.
Die Rekrutierung im Ausland stellt uns jedoch vor große Herausforderungen. Je besser die Wirtschaften in Ländern wie Osteuropa florieren, desto schwieriger wird es, dort qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren. Deswegen haben wir begonnen, neue Länder für die Rekrutierung zu erschließen, in denen wir sowohl Facharbeiter als auch Studenten gewinnen können. Leider bleiben wir bei der Auslandsrekrutierung oft ausgeschlossen, da bestehende Regelungen wie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz für uns als Branche noch immer unzureichend sind. Diese gesetzlichen Hürden erschweren es uns erheblich, den Bedarf unserer Kundenunternehmen zu decken.
Das klingt nach einem erheblichen Anpassungsprozess, sowohl für die Unternehmen als auch für die potenziellen Fachkräfte. Wie reagieren die Kundenunternehmen auf diese Veränderungen? Sind sie bereit, diese sprachlichen und kulturellen Hürden mitzugehen?
Immer mehr Kundenunternehmen sind bereit, auch Fachkräfte mit anderen sprachlichen Hintergründen zu akzeptieren. Natürlich gilt das nicht für alle Unternehmen, aber viele haben inzwischen erkannt, dass sie nicht erwarten können, dass Kandidaten perfekt oder gut Deutsch sprechen. Stattdessen konzentrieren sie sich zunehmend auf die Qualifikation und Leistungswilligkeit der Talente. Teilweise wird dies durch Fremdsprachenkurse unterstützt, die wir gemeinsam mit den Kundenunternehmen anbieten, oder durch Teams, die in einer gemeinsamen Sprache kommunizieren. Dieser Wandel ist wichtig, um den internationalen Talentpool effektiv nutzen zu können.
Wie sehen Sie die Zukunft der Zeitarbeit, insbesondere im Hinblick auf gering qualifizierte Tätigkeiten?
Die klassische Zeitarbeit für einfache Helfertätigkeiten wird sich verändern, aber nicht verschwinden. Zeitarbeit ist oft ein Sprungbrett für Menschen mit „bunten“ Lebensläufen oder für Fachkräfte aus dem Ausland, die in den deutschen Arbeitsmarkt einsteigen wollen. Gerade in diesen Bereichen spielen wir eine wichtige Rolle als Integrator und Brückenbauer.
Ich glaube zudem, dass die Zeitarbeit für Menschen, die arbeiten wollen, weiterhin attraktiv bleibt. Die Löhne in der Zeitarbeit sind häufig deutlich höher als der Mindestlohn. Ab dem 1. März 2025 liegen die Entgelte in der Zeitarbeit beispielsweise schon bei 14,53 Euro.
Welche Maßnahmen ergreift SYNERGIE, um die Attraktivität der Zeitarbeit zu erhöhen?
Unser Fokus liegt auf gezielter Qualifizierung, der Pflege langfristiger Kundenbeziehungen und der Schaffung klarer Perspektiven für unsere Mitarbeiter. Außerdem fördern wir die Integration ausländischer Fachkräfte, indem wir Sprachkurse und kulturelle Unterstützung anbieten. Wichtig ist uns, dass unsere Mitarbeiter nicht nur beschäftigt, sondern auch wertgeschätzt werden.